Projektreise 2017

Bericht über die Projektreise nach Khaliun in 2017

Bei der Projektreise 2017 (29. Aug. – 15. Sept.) nach Khaliun wurde Sibylle May von Sabine G., Unterstützerin und Spenderin des Projekts Steppenkind, begleitet.

Zur Erinnerung: In Khaliun gibt es jetzt: 

  • 5 Lehrwerkstätten
  • Einen kleinen Fuhrpark (Laster, Traktor, Anhänger, Pflug, Säh-​und Kartoffel-Erntemaschine)
  • 2,6 ha Anbauflächen
  • 2 Gewächshäuser
  • Ab kommenden Jahr: 4,6 ha insgesamt und ein Lagerhaus

Was haben wir vorgefunden?

Ein großartig renoviertes Lehrwerkstättengebäude mit ca. 340 Quadratmeter:

Im Erdgeschoss: 4 Räume + Diele

  • Lehrküche mit Imbiss
  • Große Diele (die in warmer Jahreszeit noch zu nutzen wäre)
  • Großer ausge­stat­teter Raum für theore­ti­schen Unterricht aller 5 Lehrwerkstätten
  • KFZ-​Lehrwerkstatt
  • Raum für Gartenbau-​Werkzeuge und Topfpflanzenzucht im Winter

Im 1. Stock: 4 Räume + Diele

  • Filz-​Lehrwerkstatt
  • Textil-​Lehrwerkstatt
  • Raum für Seifen-​Herstellung und Herstellung von Sanddorn-​Öl und Sanddornsaft
  • Raum für Web-Arbeiten
  • Großer Flur mit Werbetafeln über die Arbeit der Lehrwerkstätten

Das Inventar tadellos in Schuss und vollständig.

Hinter dem etwas kleineren Zimmer mit den Gartenbau-​Werkzeugen befindet sich ein weiterer Raum, bisher nur von außen zugänglich. Er soll so bald wie möglich renoviert werden und dient dann als Lagerraum für die Erzeugnisse der Lehrwerkstätten.

Unsere beiden Filz- und Textil-​Ausbilderinnen haben uns mit den Produkten, die im Laufe des Lehrgangs entstanden sind, in Staunen versetzt. Einen Teil werden wir am 9.12.2017 beim nächsten Treffen in München versteigern. Ich hoffe auf Euer Kommen.

Wie erfreulich: Die Erzeugnisse wurden während des großen gut besuchten Ringer-​Festes – zu Ehren eines sehr erfolg­reichen Ringers aus dem Sum – (darüber gäbe es viel zu erzählen) feil geboten.

Wie ich hörte, wurden viele Bestellungen entgegen genommen. Das scheint mir der aller­erste Beginn eines wirtschaft­lichen Denkens.

Auch die patente Gartenbau-​Ausbilderin verkaufte an einem Stand die Erzeugnisse der Gemüseanbaufläche. Der Gewinn fließt in die NGO-​Kasse. Aus ihr werden kleine Anschaffungen und Reparaturen der Lehrwerkstätten beglichen. Zum Beispiel müssen neue Reifen für den unver­zicht­baren Kleinlaster angeschafft werden. Die Ersatzreifen sind bereits verschlissen. „Runderneuerung“ gibt es nur in Ulanbator. Wer die Pisten in der Mongolei kennt, wundert sich nicht über den Verschleiß.

Unsere vier Damen – die Rektorin und die drei Ausbilderinnen – haben Elan und sind sehr überzeugend. Die Rektorin hat sich persönlich in die Seifenherstellung einge­ar­beitet und ist stolz auf die Ergebnisse. Wir haben 45 Seifenstücke mitge­nommen. Die Köchin sorgt für gute Einnahmen in der Imbiss-Stube.

Unsere beiden sympa­thi­schen KFZ-​Ausbilder werden in Zukunft die fehlenden Reparatur-​Einnahmen durch Schlosserarbeiten ausgleichen. Indem jedes Jahr neue Lehrlinge ausge­bildet werden, die dann ihre Fahrzeuge und die ihrer Familie selbst reparieren können, mangelt es der Lehrwerkstatt an Aufträgen. Diese Situation ist für die beiden KFZ-​Mechaniker verständ­li­cher­weise nicht ermutigend. Kommt Zeit, kommt Rat und Tat.

Frau Professor Dr. S. einer großen deutschen Stiftung in Ulanbator betonte, wie wichtig klare Arbeitsanweisungen der Projektleiterin vor Ort seien, besonders an die männlichen Teammitglieder. Das ist wiederum aufgrund der komplexen sozialen Strukturen eine heraus­for­dernde Aufgabe. Erst nach jetzt sieben Aufenthalten in Khaliun öffnet sich mein Blick auf all die „unter­ir­di­schen Strömungen“ – dieses Netz von Beziehungen -, die manches ermög­lichen und anderes unmöglich machen.

Die neuen Lehrgänge 2017/​2018 starten am 1. Oktober, wenn alle Halbnomaden von den Weidegängen zurück sind.

Wie sieht es draußen auf dem Feld aus?

Unsere 2 ha große Sanddorn-​Plantage ist für das erste Jahr gut bestellt. Mit ersten Erträgen ist 2019 zu rechnen. Der dreiseitige Zaun ist korrekt errichtet.

Plantagenanbau

Die 0,5 ha große Gemüseanbaufläche musste aufgrund von mangelnden Bewässerungsmöglichkeiten verlegt werden. Der kleine Bewässerungskanal lag zu weit entfernt.

Ich bin froh, dass die Rektorin schnell handelte, so dass auch im Jahr 2017, in dem es weniger als letztes Jahr regnete, die Ernte sehr gut ist. Die bereits umzäunte 0,5 ha große Fläche wurde statt­dessen mit Apfelbäumen und Sträuchern bepflanzt. Das ist sinnvoll. Der winzige mongo­lische Apfel braucht wenig Wasser.

Thema war auch die neue 2 ha große Gemüseanbaufläche – von der Gemeinde zu einer nur symbo­li­schen Pacht zur Verfügung gestellt. Der Zaun wird in diesem Fall von der Herstellerfirma errichtet. Unbedingt braucht die Gärtnerin zur Bewirtschaftung einen fähigen Hilfsgärtner. Wir werden ihn über einige Jahre finan­zieren müssen, ebenso wie die beiden jungen Gärtner der Sanddorn-​Plantage, die von ihren Vätern unter­stützt werden.

Für die Gemüseernte ist das Keller-​Lagerhaus unver­zichtbar. Alle Einnahmen und Ausgaben wurden abgerechnet und belegt.

Wie unter­schiedlich die Denkstrukturen und die daraus resul­tie­renden Methoden und Ordnungssysteme
sind! Die mongo­lische Juristin S. formu­lierte es so:

“Der Mongole denkt ganzheitlich, nicht analytisch.“

Jetzt sind ein paar Tage verstrichen – die Mühen sind fast vergessen – und ich sehe vor allem die freund­lichen offenen und arglosen Gesichter aller Beteiligten. Wesentlich ist mir, nicht mit „recht­eckigem“, sondern mit großzü­gigem Blick die Menschen in Khaliun und das Projekt Steppenkind zu betrachten. Sie haben enorm viel unter diesen klima­tisch strapa­zie­renden Bedingungen geleistet und haben meine ganze Hochachtung.

Unser Projekt macht Schule

Die Gemeinde Khaliun hat überall Geld gesammelt, um das schöne Kulturzentrum in russi­schem Barock zu renovieren.

Die Schulbehörde in Altai City hat den berufs­bil­denden Unterricht in den Lehrplan aufge­nommen. Das ist ganz neu. Unsere Lehrwerkstätten für Lehrlinge werden nun auch auf diese Weise genutzt. Die Rektorin ist deswegen in der ganzen Provinz angesehen. Sie wird, wie mir mehrmals gesagt wurde, von allen beneidet.

Gerne stelle ich diese Projektreise unter das Motto: „Die Weisheit in der Unvollkommenheit.“

Und noch etwas: Mit unserem Gemüseanbau liegen wir voll im Trend. Selbst auf dem Ringerfest wurden Platten abwech­selnd mit Gemüse und Fleisch bestückt, gereicht und geleert.

Bericht von Sibylle May, 18.9.2017